Erschütterung - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

Uniformierung oder Vollendung? 135 die Tendenz Einzug, dass etliche kleine „Ivo-Kopien“ aus sich machen wollten. Nichts kann mich unglücklicher ma- chen als das. Ich kann es noch ertragen, wenn ich mal einem begegne, der genauso ist wie ich; aber ein Zusammenleben mit mehreren von ihnen würde mir auf die Dauer wahr- scheinlich unerträglich. Wir sind doch keine Klone! Ich brauche die Vielfalt, die Ergänzung, die Fülle des Christus. Je andersartiger, desto besser! Jeder soll ein Original sein, nur so ist uns wirklich wohl. Als ganz junger Christ verkannte ich manchmal das glückse- lige Singen meiner Bibelschulschwestern. Diese spazierten zuzeiten Arm in Arm durch das Areal und sangen zu zweit liebliche Evangeliumslieder. Auf uns missionarische Drauf- gänger wirkte das natürlich wie Zeitverschwendung. Wir trafen uns lieber im kleinen Kreis, um im Gebetssturm die Erweckung herbeizuflehen. Wie hätten wir uns damals ge- wünscht, dass auch unsere Schwestern das begreifen wür- den, ... doch sie waren halt nun einmal blind für die wahren Kämpfe und Prioritäten Gottes ... Wir waren stark und ent- schieden, sie dagegen schwach und oberflächlich. Als ich einmal in einem feurigen Aufruf diese zarten Schwestern zum Glaubenskampf beschwor, weinten sie nur und beklag- ten sich bei der Schulleitung über meine Unbarmherzigkeit. Wir konnten uns gegenseitig nie gewinnen. Doch heute, viele Jahre später, erinnere ich mich mit immer grösserem Ge- winn an jene glückseligen Stimmen. Wie selten hört man heutzutage noch solchen Gesang an der harten Front. Wenn ich ihn irgendwo höre, dann stehe ich sogleich still und lau- sche ihm aufmerksam zu. Ich trinke davon wie ein Wan- dersmann aus dem klaren Bergbach, bevor ich meinen Weg