Laodiceas Verhängnis - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

Der Einbruch des Reiches Gottes 123 Dies war und ist die Tragik der Juden bis auf den heutigen Tag. Wir Christen wissen das. Was wir aber nicht wissen, ist, dass wir seit vielen Jahrhunderten einer noch viel grösseren Tragik verfallen sind. Während wir nämlich das unsichtbare Reich zu kennen und uns mitten in ihm zu bewegen meinen, stehen die meisten von uns in Tat und Wahrheit ebenso (wenn nicht noch schlimmer) daneben wie etwa die Juden von da- mals. So wie nämlich die Juden das nach ihren Vorstellungen Kommende irrtümlicherweise für das Reich Gottes hielten, halten wir Christen irrtümlicherweise das Gegenwärtige, in dem wir uns befinden, für das Reich Gottes. Dem ist aber durchaus nicht so, denn die allermeisten befinden sich weit ausserhalb des Reiches Gottes. Spreche ich jetzt leichtfertig der Christenheit das Heil ab? Wer sich durch obige Aussage sogleich seines Heils beraubt fühlt, bestätigt damit lediglich die eben gemachte Behauptung. Er beweist ja gerade, dass für ihn „Im Reich Gottes sein“ und „Gerettetsein“ ein und dasselbe ist, obgleich es sich um zwei grundverschiedene und voneinander zunächst einmal völlig unabhängige Wirklichkeiten handelt. Es handelt sich auch hier wieder um eine sehr ähnliche Problematik wie diejenige von „Gesetz und Gnade“. So wie nämlich durch das strenge Be- obachten des Gesetzes noch in keiner Weise die Frage des Heils geklärt ist, so ist durch die Heilserfahrung noch in keiner Weise die Frage des Reiches Gottes geklärt. So wenig uns die Einhaltung des Gesetzes irgendeinen Stand des Heils garan- tieren kann, so wenig kann uns auch die Heilserfahrung irgendeinen Stand im Reiche Gottes garantieren. So wie wir also sorgfältig zwischen der Gesetzes- und Heilsfrage unter- scheiden müssen, so müssen wir andererseits ebenso sorgfäl-

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