Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag
10 und Kleider exakt gleich ausgerichtet sein, die Gamellen sauber, die Wasserflaschen gefüllt, die Schuhe geputzt, die Schuhsohlen entsteint etc. „Alle Schuhe müssen nochmals geputzt werden!“, schrie es durch die Gänge, und so begann wieder der Wettlauf mit der Zeit. In 30 Sekunden galt es, die Schnürsenkel auszufädeln, in zwei Minuten die Schuhe komplett zu striegeln, in einer Minute die Schuhe einzufetten … usw. Nach diesen Zeitvorgaben hatten wir uns in einer Linie aufzustellen: mit ausgestreckten Armen, die schweren Kampfstiefel um die Hände gelegt. Gewöhnlich liess sich der Zugführer auch bei Regen und Kälte gemäch- lich Zeit, die Linie abzuschreiten und mit der Taschenlampe jede Ritze der Fusssohle zu durchleuchten, während uns die Arme vom Gewicht der Stiefel schier von der Schulter fielen und uns vor Anstrengung regel- recht heiss wurden. Doch kaum fand ein Inspektor irgendwo irgendeine Schwachstelle, rannten wir wieder einmal mehr um das gesamte Kaser- nenareal oder übten uns verbandmässig in Liegestützen. Nach Mitternacht lagen wir dann schliesslich körperlich wie ausgeblutet auf unseren Betten. Während die meisten noch dem gestrichenen Ausgangs- bier nachtrauerten, durfte ich erneut meine „geistliche Antenne“ stellen: „Herr Jesus, was wirkst Du genau in diese Lage durch mich?“ In die Stille hinein fragte ich anschliessend meine Zimmerkameraden, ob ich noch ein Abendgebet sprechen soll. Wie wenn alle nur auf diesen Moment gewartet hätten, brach es, einer Initialzündung gleich, aus vielen meiner Kameraden geradezu wasserfallartig heraus: „Ja, Sasek! Bete für meine Blattern an den Füssen!“, „Sasek, bete, dass die Vorgesetzten uns nicht mehr so schikanieren!“, „Sasek, bete, dass wir morgen mehr zu essen bekommen …“ usw. (Nebenbei bemerkt ist es im Militär üblich, dass man sich nur beim Nachnamen nennt.) So betete ich an jenem Abend ausgiebig für jeden meiner neuen Kameraden und für alle mir vorgeleg- ten Gebetsanliegen. Zum ersten Mal hallte an jenem Abend ein lautes und ernst gemeintes „Amen“ durch das Zimmer. Die anschliessenden Reaktionen: „Sasek, das hat mega gut getan!“, „Gell, das machen wir von jetzt an jeden Abend!“ Und tatsächlich, alle bevorstehenden, die kompletten acht Wochen, die ich in diesem Zimmer verbringen durfte, da verging kaum ein Abend, an dem nicht einer meiner Kollegen fragte: „Sasek, beten wir heute Abend wieder zusammen?“ Meistens weitete sich das Abendgebet in eine richtige Militärandacht aus. Mehr dazu später …
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