Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag

Zwischen Papierstapel und Abendandacht 25 Gebetsrunden im Zimmer 3210. Täglich klagten meine Kameraden über all ihre Leiden und Schikanen, denen sie ständig standzuhalten hatten. Und obwohl ich schon an so manchen Abenden darüber gepredigt hatte, dass unser Gott nicht wie ein Automat ist, der auf Knopfdruck unsere Wünsche erfüllt, damit wir hernach in Eigenregie weiterleben können, sondern, dass Er möchte, dass wir eine beständige Beziehung zu Jesus haben – schien die Offenbarung über diese Zusammenhänge nur sehr schwer und zäh Fuss zu fassen. Irgendetwas musste durch diese uner- müdlichen Gebetsrunden doch geschehen, dass sich meine Kameraden verändern! So fragte ich an jenem ersten Abend meiner 5. RS-Woche, als sie wieder einmal all ihre Leiden, Sorgen und Dankesgründe gesammelt hatten, ob jemand anderes sich gezogen fühle, dafür zu beten. Die Ant- wort kam postwendend: „Sasek, wir können das nicht … Du bist doch Gott am nächsten!“ Ein sonst eher zurückhaltendes Zimmermitglied fasste sich dann ein Herz und teilte der Runde mit, dass er das zwar noch nie gemacht habe, aber es doch gerne versuchen würde. Nach einer kurzen Schulung folgte ein lautes und deutliches Gebet – aus vollem Herzen! Nach dem gemeinsamen „Amen“ brach das Zimmer in tosende Begeisterung aus: „Hey, das hast du super gemacht!“ Die erwecklichen Zustände von jenem Abend schienen aber nicht lange anzuhalten. Am darauf folgenden Abend betrat ich nach getaner Arbeit das Zimmer und platzte offensichtlich gerade in die Besprechung, was sie beim nächsten Ausgang alles so anstellen wollten. Ein Rekrut erin- nerte dann daran, dass sie doch solche Gespräche in meiner Gegenwart unterlassen sollen, doch es stand wie in der Luft geschrieben, dass der Lebensstrom, der mich den ganzen Tag über getragen hatte mit ihrem Geschwätz abrupt unterbrochen wurde. „Was wirkst Du jetzt, Herr? Soll ich erneut auf Barrikade?“ , betete ich beim anschliessenden Zähneputzen und musterte dabei den leeren Waschsaal, in dem mich Dutzende Spiegel und Wasserhähne wie ratlos anzustarren schienen. Zurück im Zimmer angekommen hatte sich die Aufregung inzwischen gelegt, und mein Bettnachbar meldete sich zu Wort. Er versuchte damit, meine Betrübnis im Geist wieder wettzumachen: „Sasek, ich wollte einfach noch sagen: Mit unserem Beten am Abend, und das meine ich jetzt wirklich total ernst, heute hätte ich gerne gebetet.“

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