Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag
Die waffenlose Offiziersordonnanz 35 mir meist Mund und Ohren offen. Obgleich ich zurzeit jener Erzählungen noch kaum über die Tischkante des Esstisches sehen konnte, vermochte ich mir dennoch bildlich vorzustellen, wie mein Vater die Schuhe der Offiziere besonders glanzvoll polierte, die modernen Hotelzimmer speziell elegant herrichtete und wie er liebevoll eine kleine Schokolade auf den Kopfkissen oder Tellern der Offiziere platzierte, um ihnen nach getaner Arbeit ein „Bettmümpfeli“ (schweizerdeutsch) zu gönnen. Ich war wohl keine zehn Jahre alt, als der Wunsch in mir erwachte, später einmal wie mein Papi eine tüchtige Offiziersordonnanz zu werden! Und tatsächlich ging dieser Wunsch in Erfüllung, als mir der Oberstleutnant bei der Rekrutierung den Weg als Informatikpionier oder Offiziersordonnanz anbot. Weshalb ich trotz erstklassigem Informatikabschluss nicht den lockenden Weg als Informatikpionier, sondern den der „unattraktiven“ Offiziersordonnanz gewählt hatte, konnte er wohl nicht ganz nachvoll- ziehen, willigte aber mit den Worten ein, dass die Offiziere heutzutage auch um computertechnische Unterstützung froh seien. So betrat ich in der 8. Woche meiner Rekrutenschule zum ersten Mal das Klassenzimmer der Offiziersordonnanzen. Pro Rekrutenschule werden schweizweit nur drei bis acht Offiziersordonnanzen ausgebildet, und ein bisschen mulmig war es mir schon in der Magengegend, als ich den Raum voller Bügeleisen, allerlei glanzvolle Tischgedecke, Weingläser etc. erblickte … Zu meinem erlernten Beruf als Informatiker hätte es wohl keinen grösseren Kontrast geben können, als plötzlich an einem Bügel- brett zu stehen, in weisser Kleidung zu servieren, zu waschen, zu nähen und das Kochen zu erlernen etc. Ich war als erster Schüler im Klassen- zimmer, in dem am Lehrerpult vorne eine junge schwarzhaarige Frau von etwa 25 Jahren an einem Laptop hantierte. Scheinbar hatte sie in jenem Klassenzimmer schon länger nicht mehr unterrichtet, denn auf den ersten Blick sah man, dass die Verkabelung des Computers zum Projektor und zur Beschallung ziemlich durcheinander geraten war. So testete sie erfolglos sämtliche Anschlüsse an Laptop und Beamer und wirbelte verzweifelt mit den Kabeln in der Gegend herum. Gleich würden die auserwählten Offiziersordonnanzen erscheinen und ihre Präsentation würde nicht laufen! Ich grüsste sie und fragte nach, ob ich in irgendeiner Weise behilflich sein könnte. Nach wenigen Handgriffen erschien dann die Präsentation auf der grossen Leinwand und die Fachlehrerin musterte
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