Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag

37 Offiziersordonnanz auf dem Prüfstand Nach einem zweiwöchigen Diensturlaub über Neujahr hatte ich wieder einzurücken. Ich war offensichtlich nicht der Einzige, dem es diesmal besonders schwerfiel, sich wieder von der Familie und dem „zivilen Leben“ zu lösen. An den Bahnhöfen quer durch die Schweiz legten sich die Bräute der verliebten Soldaten besonders lange in deren Arme. Über- all Schminke und tränenverschmierte Gesichter, tröstende Soldaten und Taschentücher, die gewunken wurden. Ja, diese 18 Wochen im Dienste der Schweizer Armee scheinen für die meisten Männer eine ziemlich trostlose Sache zu sein. Ruft das Vaterland, so hat man auf Befehl sein ziviles Umfeld zu verlassen, um sich wie ein Häftling einer staatlichen Instanz zu stellen. Wer das umzäunte Kasernenareal in unerlaubter Weise verlässt, dem droht eine hohe Geld- und Gefängnisstrafe. So sitzen die meisten ihre Zeit einfach ab, hoffen auf bessere Zeiten und sehen jeden Tag erwartungsvoll auf ihrem Handy nach, wie viele verbleibende Dienst- tage noch der Countdown verkündet. Die Wände der Toiletten zeugen von der Schadenfreude der Vorgänger: „Ich noch 17 Stunden, du noch 17 Wochen!“, „Wenn du hier sitzt, bin ich längst über alle Berge!“, „Nur noch eine Woche!“, „Nur noch eine Stunde … ha ha“ usw. steht da in grossen Lettern. Wie unvorstellbar tragisch muss da doch ein blutiger Krieg sein, wenn schon eine kurze Rekrutenschule zu Friedenszeiten (mit genügend Essen, Handy und allerlei Unterhaltungsmedien, versteht sich) als grobe Einschränkung der persönlichen Freiheit beklagt wird!? Auch in meinem neuen 20-Mann-Zimmer, mit grösstenteils unbekannten Rekruten, war wenig ernsthafter Wille zur Landesverteidigung zu er- kennen. An den Abenden herrschte dort aber auch keine andächtige Stimmung, sondern eher ausgelassene Party-Stimmung. Es wurde bis in die Nacht herumgealbert, Betten von schnarchenden Kollegen umgekippt und allerlei Streiche gespielt. Es war ganz offensichtlich, dass ich in diesem neuen Umfeld wieder von neuem beginnen konnte.

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