Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag

53 „Rekrut Prediger, daher!“ Während jenen Wochen nutzte ich auf den langen Zugreisen oftmals die Zeit, mit betagten Menschen zu sprechen und sie zu fragen, was sie in ihrem Leben anders machen würden, wenn sie nochmals in meinem Al- ter wären. Mit dieser Frage bekam ich nicht nur die spannendsten Lebens- geschichten erzählt, sondern fand leider oft das gleiche Fazit durch die langen Erzählungen: „Ich würde mehr wagen! Mehr aufs Ganze gehen!“ Genau solche Aussprüche verfolgten mich in der 12. Dienstwoche meiner Rekrutenschule regelrecht. „Ja, wieso eigentlich nicht mehr wagen? Will ich später einmal, wenn ich alt und grau bin, auf mein Leben zu- rückschauen und bereuen müssen, dass ich nicht mehr von Gott erwartet habe? Dann, wenn es zu spät ist?“, schrieb ich in mein Tagebuch. „Ich bin so dankbar für all die vielen Begegnungen, Gespräche und Verände- rungen an meinen Kameraden, die Du, Herr, bis jetzt gewirkt hast. Doch wenn es Dein aktuelles Wirken ist, dass ich mehr aufs Ganze gehen soll, dann möchte ich mitgehen – und wenn ich dazu die ganze Kompanie auf den Kopf stellen soll!“ Tatsächlich verging keine Stunde, da wusste ich schlagartig, was der nächste Schritt sein würde. So kritzelte ich mein Vorhaben auf ein mili- tärisches Antragsformular und schob den Zettel mit klopfendem Herzen in das Postfach des Kommandanten. Obwohl ich mit meinem Formular nicht den Dienstweg eingehalten hatte, worüber ich mir nebenbei be- merkt absolut im Klaren war, folgte viel schneller eine Reaktion, als ich erwartet hatte. Am darauf folgenden Nachmittag, ich war gerade damit beschäftigt, einen 4-Lochknopf fachgerecht auf ein Jackett zu nähen, schoss meine Fachlehrerin wie eine aufgeschreckte Henne in den Theo- riesaal: „Rekrut Prediger, daher! Kommen Sie vor die Türe, ich muss mit Ihnen sprechen!“ – Draussen angekommen: „Ihr Meldeformular sorgt für Diskussionen im Stab“, stotterte sie nervös. (Wie es aussah, war mein Schreiben innert weniger Stunden von diversen Instanzen bearbeitet worden.) „Ich musste soeben beim Major im Generalstab vor- sprechen und mitteilen, was für ein Rekrut Sie sind. Natürlich habe ich

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