Rekrut Prediger, daher! - Elias Sasek - Elaion-Verlag

54 über Sie nur das beste Zeugnis abgelegt … Aber was haben Sie da für ein Gesuch geschrieben?! Vor der ganzen Kompanie wollen Sie predigen? Was machen Sie, wenn das genehmigt wird? Ihre Kollegen bringen Sie um!“ Dabei musterte sie mich von Kopf bis Fuss – gerade so, als wollte sie mich noch ein letztes Mal betrachten, ehe sich wildgewordene Bestien auf mich stürzten. „Wissen Sie, Frau Fachlehrerin, meine Kameraden möchten das auch!“, erwiderte ich schmunzelnd. „Sie müs- sen heute im Generalstab vorsprechen. Ich werde Sie informieren, so- bald es so weit ist …“ Mit diesen Worten entliess sie mich wieder in den Theoriesaal. Mein Schreiben lag schon auf dem Tisch bereit, als ich bei der gewünsch- ten Instanz erschien. Der Offizier nahm das Papier zur Hand, betrachtete es nochmals fachmännisch und hielt sich dann kurz: „Rekrut Sasek, Ihr Gesuch wurde genehmigt. Ich habe auf ihren Antrag ein Spezialpro- gramm einberufen und Sie erhalten eine Stunde Zeit, um vor der ganzen Kompanie zu sprechen. Ich erwarte eine detaillierte Ausarbeitung ihres Referat-Ablaufes bis Sonntag 24:00 Uhr in meinem Postfach.“ Da lag das Konzept dann auch zum gewünschten Zeitpunkt. Und offen- bar schien mein gewähltes Leitthema „Landesverteidigung hört nicht mit dem Ende der Rekrutenschule auf!“, den Offizieren zu gefallen. Denn meine Ansprache wurde direkt als Auftakt vor die Zeremonie der Beförderung der Rekruten zu eidgenössischen Soldaten gesetzt. So hatte an jenem Mittwoch die ganze Kompanie zum Spezialprogramm mit Rekrut Sasek zu erscheinen. Ich startete meine Ausführungen mit einer Visionierung, weshalb wir überhaupt hier im Militärdienst sind. „Wir haben die wichtige Aufgabe, die blutig erkämpfte Freiheit und Unab- hängigkeit unseres Landes zu bewahren und NIE mehr wieder preis- zugeben! Wir wollen nie mehr solche Kriege erleben, wie sie unsere Väter erlitten!“ usw. Zu Beginn meines Referates herrschte eine derart gleichgültige Atmosphäre im Saal, dass ich mir vorkam wie einer, der lauter Kitt labert. Da stand ich nun hinter meiner hölzernen Kanzel, vor allen bekannten und unbekannten Rekruten, vor vielen meiner Vorge- setzten und fühlte mich wie einer, der ein Flugzeug mit vielen überge- wichtigen Passagieren zum Abheben bringen soll, mitten im Nebel und einer vereisten Piste. Doch das unermüdliche Beschleunigen auf dieser

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