Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

10 Hand ihres Vaters und lächelte ihm tapfer ins Gesicht. Seine Finger streichelten über die langen Haare seines Töchterchens. „Los geht’s!“ Er hob den dreijährigen Daniel auf seine Schulter und schritt entschlossen voran. Man hörte nicht viele Worte, wäh- rend das Grüppchen den steilen Bergpfad hinaufstapfte, der sie über den höher gelegenen Gebirgszug aus dem Elsass in die Täler des Franche-Compté führen sollte. Ihr Ziel waren die Ländereien südlich von Frankreich, wo die Juden unter der Schirmherrschaft des Königs Peter IV. von Aragon in Frieden leben konnten. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne drangen durch die immer spärlicher werdenden Bäume und gaben den Blick auf eine sanft abfallende Wiese frei. Die letzten Tautropfen an den Gräsern glitzerten in der Sonne vor den Augen der noch immer durchfrorenen Flüchtlingsschar. Anneli stupste ihren Bruder und lächelte ihn an. „Siehst du die Sonne, wie ich gesagt habe.“ Kaum hatte sie dies ausgesprochen, wurde sie schon unterbrochen. „Halt! Das ist gefährlich! Bleibt im Schutz der Bäume!“, befahl der Vater. Obwohl weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, ver- schwanden zwei der Männer lautlos, um die Gegend auszukund- schaften, während die anderen eine kurze Rast halten durften. Anneli hätte es viel lieber gehabt, wenn sie weitergelaufen wä- ren. Beim Laufen war ihr viel wärmer. Wieder blieb ihr Blick am Antlitz des Familienoberhauptes hän- gen. „Papa“, sagte sie und drückte liebevoll seine grosse Hand. Er erwiderte ihren Händedruck und lächelte ihr zu. Schon waren die Kundschafter zurück: „Niemand zu sehen, alles ruhig“, lautete ihr Bericht. „Zu ruhig!“, brummte der Vater be- sorgt. „Wir gehen noch ein Stück am Waldrand entlang und überqueren dann die Wiese. Bleibt beieinander! Wenn wir an- gegriffen werden, rennen wir in verschiedenen Richtungen aus- einander, dass sie nicht alle kriegen. Gott schütze euch!“

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