Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
100 „Dann bringe ich sie halt in den Turm, zufrieden?“ Der Mönch liess das Messer sinken. Sie packte Anneli am Arm und schleifte das Mädchen zur Tür hinaus. Nächtlicher Besuch Noldi lag auf seinem Strohlager. Es war Nachtruhe. Unter sich konnte er das Schnaufen und das Scharren der Pferde hören. Wie erschöpft er von dem Tag war! Dennoch konnte er nicht schlafen. Seine Gedanken wanderten im Kreis. Es war alles so aussichtslos. Wie sollten sie je hier herauskommen? Anneli aus dem Turm zu befreien erschien ihm fast unmöglich. Doch er schwor bei Gott, er würde sie nicht im Stich lassen. „Ich hole dich da heraus, Anneli“, flüsterte er in die Stille seiner Kammer hinein. Wieso hatten sie nur auf Pater Waldes gehört? Zornig starrte er die Decke über sich an, die Hände zu Fäusten geballt. Am liebsten hätte er seine Wut laut hinausgeschrien. Ich habe auf den Rat eines Mönches gehört! Er hasste doch alle Mön- che. Verzweifelt barg er das Gesicht in den Händen. Ein Poltern schreckte Noldi auf. Durch das Fenster flog ein mächtiger Eisenhaken und blieb dort auf dem Boden liegen. Noldi sprang auf und befestigte den Haken an einem Mauervor- sprung. Im nächsten Moment tauchte Danys Kopf vor ihm auf, der an dem dicken Tau entlang die Mauer hochgeklettert war. Die beiden Freunde umarmten sich. „Ich habe gewusst, dass du mich nicht im Stich lassen würdest, … dass du kommst“, sagte Noldi. Dany löste sich von ihm. „Warum bist du immer noch hier?“ „Komm, ich will dir der Reihe nach alles erzählen“, erwiderte Noldi und setzte sich auf seine Holzpritsche, Dany an seiner Seite. Er erzählte von ihrem gescheiterten Fluchtversuch und wie Anneli nun im Turm eingesperrt war. Voller Zorn starrte Noldi den Fussboden an.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTY5NDM=