Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

11 Anneli hatte während der ganzen Zeit die Hand des Vaters nicht losgelassen und schritt mutig und aufmerksam neben ihm über den dicht bewachsenen Waldboden. Auf einmal stand Noah neben ihr und stupste sie: „Wenn wir die Wiese überqueren, machen wir ein Wettrennen! Mal sehen, wer gewinnt!“ Sein Lächeln und das Zwinkern in seinen Augen konnten die An- spannung, die in seinem Gesicht stand, nicht ganz überdecken. „Ja, ja“, gab Anneli zurück. Ihr war gar nicht nach Wettrennen zumute. Die Sonnenstrahlen vergoldeten immer mehr die ganze Land- schaft und da alles ruhig blieb, wich die Anspannung ein wenig von der Gruppe. „So, jetzt gehen wir rüber!“, ertönte die Anweisung von Johan- nes. Vorsichtig traten die Ersten aus dem Schatten der Bäume und begaben sich auf den leicht abfallenden Wiesenabschnitt, der vor ihnen lag. Anneli musste aufpassen, dass sie in dem glit- schigen Gras nicht ausrutschte. „Los!“, rief Noah leise und rannte an Anneli vorbei. Das Mädchen wollte die Hand ihres Vaters loslassen und ihm hinterherlaufen, doch sein starker Griff hielt sie fest. „Was ist das?“ Mit schreckge- weiteten Augen sah das Mädchen auf die habsburgischen Soldaten, die mit angespanntem Bogen aus dem Dickicht des gegenüberlie- genden Waldes traten und ihre Pfeile losschnellen liessen. „Nein!“ „Zurück!“, schrie Johannes, doch Noah sank schon tödlich getrof- fen ins Gras. „Noah! Nein!“ Anneli hörte ihren eigenen, gellen- den Schrei wie von ferne. Alles schien so unwirklich zu sein … Dann merkte sie, wie der Vater sie packte und zurückriss. Nur weg von den todbringenden Pfeilen! Wo immer die in Panik ge- ratenen Juden sich aber auch hinwenden wollten, ihre entsetzten Augen starrten jedes Mal nur in die Verderben bringenden Waf- fen der habsburgischen Schergen. Sie waren umzingelt! Vor lauter Entsetzen konnte Anneli nicht einmal mehr schreien. Alles war völlig aussichtslos! Es gab keinen einzigen Fluchtweg mehr für die leidgeprüfte Schar.

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