Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

15 „Hier, trink jetzt!“ Gehorsam setzte sich Anneli auf und ergriff das Gefäss mit Wasser, um ihren brennenden Durst zu stillen. „Hunger?“ Anneli schüttelte nur still den Kopf und drehte sich zur Seite, um ihre Tränen zu verbergen. „Ja, ja, ich verstehe das! Aber da kann man jetzt halt nichts mehr dran ändern. Ähm … wir sind nicht alle so schlecht, wie du denkst. Vielleicht wird’s auch gar nicht so schlimm für dich.“ Sein Tröstungsversuch klang unbeholfen. Bei diesen Worten konnte Anneli ihre Tränen nicht mehr zu- rückhalten. Wieder liess der Schmerz und das Schluchzen die schmalen Schultern des Kindes erbeben. Nicht so schlecht, nicht so schlecht? Ihr habt meine Eltern getötet!! Ich hasse euch, ich hasse dich, du ekelhafter, greulicher Mörder. Du Scheusal … Die Gedanken Annelis überstürzten sich und ein tiefer Hass ge- gen ihren Bewacher brach sich Bahn in ihrem Herzen. Sie zitterte vor Erregung und bemerkte fast nicht, wie ihr die Hände wieder zusammengebunden wurden, aber dieses Mal vorne und nicht mehr hinter dem Rücken. Das Stück Brot, welches ihr der Soldat hingehalten hatte, lag unbeachtet in ihrem Schoss. Sie würdigte ihn keines Blickes, während er seufzend vom Wagen sprang. Die Sonne brach durch die Wolken und einige Strahlen drangen durch die löchrige Plane ins Wageninnere und wärmten das hungernde und frierende Kind. Wald, immer noch Wald. Wo fahren wir hin? Zu wem bringen die mich? Kloster? Was ist das? Ach ja, da wohnen die Mönche, dachte Anneli. „He, bind ihr die Augen zu! Wir machen hier keine Spazierfahrt mit Ausblick. Sie muss schliesslich nicht wissen, wo sie hin- kommt“, hörte sie einen der Habsburger rufen. Sofort sprang der dicke Mann, welcher ihr das Essen gebracht hatte, auf den Wagen und band ihr die Augen zu. „Tut mir leid, das muss halt sein. Übrigens, ich bin Alfred, und bis wir dort

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