Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
20 Ihre grossen, traurigen Augen berührten etwas in seinem tiefs- ten Innern. Das Mädchen erinnerte ihn an seine Tochter, die vor einigen Jahren am Fieber gestorben war; ihre langen, braunen Haare, der zierliche Mund, der sich gewiss sonst zu einem liebli- chen Lächeln formte. Wie seine kleine Brunhild! Doch er konn- te sie nicht einfach mit zu sich nehmen – schon gar nicht ein Ju- denkind. Alfred trat zu ihr hin: „Mach’s gut“, flüsterte er zum Abschied leise in ihr Ohr. Anneli war froh, dass er wegging. Sein Mitleid war ihr noch unangenehmer als die Härte der anderen Habsburger. „Hier, ich hab was für euch. Passt gut auf sie auf. Die Kleine ist bissig. Wir haben sie im Wald gefunden, sie hat sich verlaufen.“ Ein Soldat hielt Anneli am Genick fest und schob sie auf die neu- gierig herbeigelaufenen Nonnen zu. „Nein!“ wehrte sich Anneli, „das stimmt gar nicht, sie haben …“ Weiter kam sie nicht. Eine Hand legte sich hart auf ihren Mund und der Druck am Nacken nahm schmerzhaft zu. „Eben, ich sagte ja, sie ist bissig, und essen wollte sie bis jetzt auch nichts, aber für gewöhnlich wisst ihr ja, wie man damit umgeht. Anna heisst sie.“ Er stiess das Mädchen der Frau entgegen. Diese hielt Anneli so- fort mit hartem Griff am Handgelenk fest. „So, so, nicht essen. Da wollen wir doch mal sehen … Du darfst jetzt gleich mit mir kommen, du kleines Früchtchen!“ Die Kälte ihrer Stimme liess das Mädchen zusammenfahren. Sofort spürte sie, dass sie auch hier nicht viel Freundlichkeit erfahren würde. Wegrennen? Nein, zwecklos! Die Frau war viel stärker als sie.
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