Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

23 „Groo-oss-va-a-a-ter!“ Immer und immer wieder brach aus ihm der Name des innig geliebten alten Mannes hervor, den er vor sechs Wochen nicht aus den Händen seiner Mörder hatte retten können. Es waren dieselben Hände, in die Noldi später ohne die Hilfe von Vrenis Brüdern gefallen wäre. Unablässig stiegen jetzt Bilder unwirklich schöner Tage der Vergangenheit in ihm auf, wunderbare Tage, die er nie wieder erleben würde: der Hoch- sommer bei Grossvater auf den Almwiesen, die Geborgenheit der sternklaren Nächte an seiner Seite im Heu, die langen Gespräche und spannenden Geschichten von seinem über alles geliebten Herrn Jesus … Da, inmitten seiner tiefen Trauer, als Noldi an diesen Herrn denken musste, wandelte sich sein Verzweiflungsschmerz in ohnmächtige Wut: „Gott, wo warst Du, warum hast Du Gross- vater nicht geholfen – warum – warum – warum …?! Er hat Dich so lieb gehabt, und Du hast ihm nicht geholfen!!“ „Grossvater, schau, dort drüben sind Papa und die Senner aus unserem Dorf und meine Freunde, der Heini und der Willi! Und die Kühe aus dem Stall sind dabei!“ „Ja“, antwortete der alte Tell gutmütig, den sein Enkel aufgeregt am Ärmel zupfte. „Ja, sie haben sicher beschlossen, den Alpauf- zug eine Woche früher zu machen, weil Gott uns schon jetzt das Wetter dazu geschickt hat. Nach der langen, kalten Jahreszeit freuen sich jetzt alle auf den Sommer droben auf den Bergwie- sen.“ „Und die Vreni und die Hanni sind auch dabei!“ Noldi hatte seine kleinen Schwestern schon seit zwei Wochen nicht mehr gese- hen. Er hatte mit Walter Tell zum Landtag mitkommen dürfen, und war dann mit ihm noch zehn Tage in Luzern geblieben. Der

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