Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
33 Agnes fuhr erschüttert zurück. Marthe schwankte. Sie klammer- te sich noch fester an Gottfrieds Arm. „Was sagst du da?“ Fassungslos sah sie ihren Sohn an. Sie erhob sich und ging einige Schritte auf Noldi zu. „Wie …?“ Marthe stockte. Durch ihren Kopf jagten Erinnerungen an ihren Vater. Sie schluchzte auf. Halt suchend griff sie nach der Tischkante und barg ihr Gesicht an der Schulter ihres Mannes. Ein Beben ging durch Marthes Körper, dann brach sie in Tränen aus. Sanft drängte ihr Mann sie in den hinteren Teil des Zimmers. Wie durch einen Schleier spürte Noldi, dass er enttäuscht war. Bei all dem Schmerz, der in ihm tobte, hatte er erwartet, dass er zu Hause Trost finden würde. Doch stattdessen räumte Agnes mit hängenden Schultern auf und Hans sass noch immer auf sei- nem Schemel und starrte vor sich hin. Und seine Eltern? Hätten sie ihm nicht Trost spenden sollen? Müssten sie nicht als ganze Familie füreinander da sein? Jeder hatte sich in seinen eigenen Kummer zurückgezogen. Plötzlich bekam Noldi das Gefühl, in der Stube zu ersticken. Er riss die Tür auf und stürmte nach draussen. Er atmete tief die Sommerluft ein und spürte, wie sich endlich der Stein in seinem Herzen löste. Ein lauter Schluchzer schien seine Seele zu zerreis- sen. Er fiel ins Gras und liess seinen Tränen freien Lauf. „Noldi?“ Eine Hand berührte ihn an seiner Schulter. Neben ihm standen Agnes und Hans. Sie setzten sich neben ihn ins Gras und Agnes fragte in all ihrer Sanftmut: „Kannst du uns erzählen, was sich ereignet hat?“ Noldi schaute dankbar zu seiner Schwester auf. Er rieb sich die letzten Tränen aus den Augen. „Der Tag begann so schön!“ Wieder presste der Kummer seine Stimme zusammen. „Und dann kamen diese Mörder! Wir haben uns doch nur gegen den Wegzoll gewehrt!“
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