Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
35 Angewidert starrte Arnold auf den Brei vor sich. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er stocherte lustlos in seiner Schüssel. Marthe beugte sich besorgt zu ihrem Sohn. „Noldi, schon seit drei Wochen isst du nicht recht.“ Sie schob ihm eine Brotscheibe hin. „Bitte!“ Noldi stützte den Kopf in die Hand und sagte entschlossen: „Wenn ich je wieder etwas esse, dann nur, um mich für die Knabenschaft zu stärken.“ Hans hob alarmiert den Kopf. Er wusste, dass Vater und Mutter davon alles andere als begeistert waren. Seit Tagen versuchten sie nun schon, Noldi von diesem Gedanken abzubringen. Er tauschte mit Agnes einen Blick, durch den sie in stillem Einver- nehmen beschlossen, im Hintergrund zu bleiben. Den Konflikt sollte ihr kleiner Bruder alleine mit den Eltern austragen. „Jetzt lass doch endlich von diesen Racheplänen ab!“, schalt ihn die Mutter. „Die bekämpfen das Unheil wenigstens noch und sitzen nicht nur betend und tatenlos herum wie wir.“ Noldi schob die Schüs- sel von sich. Bis dahin hatte Gottfried schweigend zugehört, doch nun griff er nach Noldis Arm. „Rache ist der falsche Weg. Der bessere Weg ist es, wenn man begangene Blutschuld mit dem eigenen Blut bedeckt.“ Verständnislos blickte Noldi auf. „Wie meinst du das?“ „Wenn man seinen Leib und sein Leben glaubend unter den Ge- horsam Christi stellt, um gleichsam als Getöteter nicht mehr sich selbst, sondern Christus zu leben“, erklärte Gottfried. Da brach es aus der Mutter hervor: „Noldi, er war nicht nur dein Grossvater, er war mein Vater!“ Trauer trübte Marthes Gesicht. „Doch wollen wir jenen Mördern nicht zuerst den bes- seren Weg wünschen?“
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