Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

37 duftete noch. Mutter hatte alles fein säuberlich aufgeräumt, nichts stand herum, wie er das von anderen Bauernfamilien kannte. Wenn er lauschte, dann hörte er das Atmen seines Va- ters. Durch die hintere Wand drangen das Scharren der Hufe und das Schnauben der Kühe aus dem Stall. Wenn er sich jetzt dem Gebot seines Vaters widersetzte, dann überschritt er eine Schwelle, die womöglich den Frieden der Familie unwieder- bringlich zerstören würde. Sein Herz pochte wild, als er an die möglichen Folgen seines Handelns dachte. Doch er konnte nicht länger tatenlos bleiben. Im Stillen bat er seine Mutter um Vergebung, dann fasste er allen Mut zusammen und öffnete die Tür. Die Nacht war eisig und liess nichts von der Hitze ahnen, die am Tag herrschte. Er vermutete, dass sich die Knabenschaft im nahe- gelegenen Forst traf. Eilig lief er los. Ihr Haus lag am Rand des Dorfes. Der Weg führte ihn an der Mühle vorbei, über einen Steg, der den Bach überspannte, und schliesslich die Hügelkuppe hinauf. Im Norden lag der Wald. Ein Nieselregen hatte eingesetzt, und als er das Gehölz erreich- te, waren seine Hände klamm vor Kälte und seine Kleidung vom Regen durchweicht. Zwischen den Bäumen herrschte Dunkel- heit. Noldi schien es, als wäre er seit Stunden durch den Wald geirrt. Er hatte schon den Glauben daran verloren, dass er über- haupt noch die Knabenschaft finden würde. Erschöpft lehnte er sich an einen Baum und kämpfte gegen seine Verzweiflung an. Er wusste noch nicht einmal, wie er aus diesem verwünschten Wald wieder herausfinden sollte. Seufzend setzte er sich erneut in Bewegung. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Odyssee fortzusetzen. Er schlug sich durch das Unterholz, bis er mit einem Mal ge- dämpfte Stimmen vernahm. Ein geheimnisvoller Schein stahl sich durch die Bäume und leitete ihn zu einer Lichtung. Vorsich- tig bog er die Zweige eines Busches auseinander. In einem Kreis

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