Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

46 antwortete ihm nicht, stattdessen erklang die tiefe Stimme des Mannes am Feuer: „Hab keine Angst, Junge! Wir sind Freunde.“ Noch immer stand Noldi die Verwirrung ins Gesicht geschrie- ben. „Wo sind die Habsburger?“ „Die sind weg“, sagte der Mann. „Wir sind hier in den Bergen in Sicherheit“, ergänzte Noldis Pflegerin. Noldi schaute in die Runde. Der Umriss eines weiteren Mannes hatte sich aus dem Dunkel der Höhle geschält. Er kniete sich nun neben seinen Gefährten an das Feuer und begann einen Laib Brot aufzuschneiden. „Ka- men die Pfeile von euch?“, fragte Noldi weiter. Der neu Hinzugetretene schaute zu Noldi auf. Er nickte. „Ja, eigentlich benutzen wir sie nur zum Jagen.“ Er machte eine Pause, in der er durch eine umfassende Geste die ganze Höhle und die in ihr lebenden Menschen mit einbezog. „Wir sind verfolgte Waldenser-Christen. Als wir auf der Jagd zufällig auf euch stiessen und dich in Lebensgefahr sahen, da kam der Geist des Herrn über uns …“ Die Frau unterbrach ihn und ergänzte: „Wir glauben an die Taufe im Heiligen Geist und an Gottes Geistesgaben.“ „Gegen all unsere Vernunft sahen wir uns geführt, dich zu be- freien und gerechtes Gericht an deinen Henkern zu üben“, fuhr der andere Mann fort. Noldi runzelte die Stirn. „Ich habe schon einiges über euch Wal- denser in den Bergen gehört, doch alle wissen, dass ihr niemals zu den Waffen greifen würdet.“ Bestätigend nickte einer der Männer mit dem Kopf. „Eher wol- len wir sterben, wie unser Herr, Jesus Christus.“ „Aber habt ihr mit meiner Befreiung nicht euer eigenes Leben in Gefahr gebracht?“, fragte Noldi. Er fühlte sich schuldig für die Aufopferung der Waldenser, die sogar ihre höchsten Lebensprinzipien missachtet hatten, um ihm das Leben zu retten.

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