Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
49 Wächter vor den Gefangenen stehen und riss die letzte Tür auf. Er klaubte einen Schlüssel hervor, löste ihre Fussketten und stiess die Gefangenen in die Zelle. Noldis Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, die dort herrschte. Das Licht einer einzigen Fackel erhellte den recht grossen Raum nur spärlich. Der unebene Steinboden war mit schimmligen Strohhaufen bedeckt. In der Mitte des Raumes befand sich eine erloschene Feuerstelle. Um diese herum lagen ein Holzblock und Gerätschaften, deren Umrisse Noldi im Dämmerlicht nur erahnen konnte. Doch es reichte aus. Das Grauen packte den Jungen. Das hier war keine gewöhnliche Zelle, sondern eine Folterkammer! Seine Knie gaben nach. In dem Moment trat Vreni neben ihn und legte schützend einen Arm um seine Schultern. Noldi barg sein Gesicht in ihren Rö- cken. Er vernahm ihre feste Stimme, die ihm gut zusprach: „Gott wird dich beschützen, mein Sohn! Dir geschieht nichts.“ Sie klang so überzeugt, dass Noldi für kurze Zeit selber daran glaubte. Die Sehnsucht nach seiner Familie übermannte ihn. Niemand von ihnen wusste, wo er war. Es gab keine Hoffnung auf Rettung. Noldi löste sich aus Vrenis Armen und kauerte sich verzweifelt in eine Ecke. Er barg das Gesicht in den Händen, doch es wollten keine Tränen kommen. Stattdessen riss das Fie- ber ihn von neuem mit sich fort. Die nächsten Tage lagen hinter einem Nebel verborgen. Vreni umsorgte den Knaben und schaffte es durch ihre hingebungs- volle Zuwendung tatsächlich, dass die Krankheit zurückging. Erst am dritten Tag ihrer Gefangenschaft, als die Kerkertür auf- gerissen wurde, kehrte Noldi in die Gegenwart zurück. Hinter ihren schwarzen Kutten verborgen, die Kapuzen tief in die Stirn gezogen, betraten zwei Mönche die Kammer. Ihnen folgten die Ritter, die sie auch schon in der Höhle gefangen ge-
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