Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
5 ANNELI „ nneli, Anneli, du musst aufstehen, wir müssen weiter!“ Sanft spürte Anneli die Lippen der Mutter auf ihrer kalten Wange. Der liebevolle Blick prägte sich tief in das Kinderherz, und das Mädchen konnte nicht anders, es musste die geliebte Mutter umarmen und fest an sich drücken. „Mama!“, lächelte die Kleine. „Mein liebes Anneli!“ Wie sehr hätte sich die Mutter gewünscht, ihrem Kind ein wohlbehütetes Leben bieten zu können, aber stattdessen … Wie hätte ihr Mädchen auch verstehen sollen, weshalb den Ju- den die Schuld an der Pestepidemie zugeschoben wurde, obwohl diese selber ja genauso darunter litten. „Mama, es ist so kalt. – Sag mir doch, weshalb verfolgen uns denn die Leute so sehr, dass wir in die Wälder flüchten müssen? Wir haben doch nichts Böses getan!“ In Gedanken ging die Mutter zurück zu den Anfängen der jetzi- gen Judenverfolgung. „Weisst du, Anna, unser Volk wurde schon längere Zeit ausge- grenzt und verachtet. Nicht einmal zu den Handwerkszünften haben wir Zutritt. Um überleben zu können, haben viele Juden als Geldverleiher ihr Brot verdient. Sie haben also den Leuten Geld geliehen und ein bisschen mehr zurückverlangt, als sie ge- geben haben. Darin waren sie auch sehr erfolgreich. Das hat die
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