Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

52 Er war eingeklemmt in eine Streckbank. Nur noch ein zitterndes Stöhnen brachte er über die Lippen. „Wenn du widerrufst“, forderte der Mönch, „wird dir das Mahl des Herrn gewährt und dir wird in Schächer-Gnade Eingang in den Himmel gewährt.“ „Ich war dabei“, stiess der Waldenser mit letzter Kraft hervor, „als katholische Truppen Tausende von uns erschlugen. In einer einzigen von euren Kirchen fand ich 50 unserer geköpften Frau- en und sah ihre Kleinkinder, wie sie noch an den Brüsten ihrer leblosen Mütter saugten.“ Der Kreuzritter zog die Seile fester und der Mann schrie auf. „Wir sterben den Tod der Gerechten. Ihr werdet in eurem Taufwasser gekocht werden. Eure Kreuze und Oblaten werden im ewigen Feuer brennen!“ Der Mönch tauschte einen finsteren Blick mit dem Ritter, dann senkte er seinen Daumen. Ein letzter Schrei durchriss die Nacht. Gefangen Noldi fuhr aus dem Schlaf hoch. Er hatte wieder schlecht ge- träumt. Das Gesicht von Vreni tauchte vor seinen Augen auf und schlag- artig wurde er sich seiner Umgebung bewusst. Er spürte das Stroh in seinem Rücken und die Kälte in seinen Gliedern. Wie- der sass er in einem Kerker fest, aber dieses Mal allein. Ihm stie- gen die Tränen hoch, doch er kämpfte nicht mehr gegen sie an. Die Tage schleppten sich dahin. Noldi verlor allmählich das Zeitgefühl und fragte sich oft, ob man ihn wohl vergessen hatte. Dagegen sprach nur, dass man ihm noch immer zweimal am Tag durch eine Luke ein Schälchen mit Hirsebrei schob. Nach und nach ebbten die schlimmsten Erinnerungen ab. Er er- lebte die Geschehnisse nicht mehr so intensiv wie zuvor. Statt-

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