Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

53 dessen begann er sie aus Distanz zu betrachten und sich zu fragen, warum alles so hatte enden müssen. Auf seiner Seele lastete schwer die Trauer um seine Eltern. Sie würden ihn für tot halten und er konnte nichts dagegen tun. Sein Grossvater war ermordet worden, Vreni vermutlich zu Tode gefoltert und seine Familie hatte er für immer verloren. Zorn verdrängte die Trauer. Das alles hatten einzig und allein die Habsburger zu verantworten. Eines Tages werden sie für ihre Verbrechen bezahlen , schwor er sich. Der Hass war der einzige Strohhalm, an den sich Noldi klam- mern konnte. Der hatte sich in seiner Seele verankert und frass sich immer tiefer. Eine Woche war verstrichen, bis er endlich sein Gefängnis ver- lassen durfte. Ein junger Mönch schloss die Eisentür auf und winkte Noldi herbei. „Komm mit!“, befahl er schroff. Der Junge rappelte sich hoch. Er fühlte sich elend und brauchte zuerst einige Zeit, bis er sicher auf den Beinen stand. „Na, wird`s bald?“ Der Mönch packte ihn am Arm, führte ihn die Treppe hinauf und öffnete eine Tür, die links von ihnen lag. Sie führte in einen geräumigen Vorratsraum, dessen Regale die gesamten Wände einnahmen, angefüllt mit Körben und Säcken. Zwei Knechte, die Getreidesäcke auf den Schultern schleppten, drängten ihn beiseite. Der Mönch befahl Noldi kurz zu warten und kehrte mit einem wohlgenährten, rotwangigen Ordensbruder zurück, der sich vor Noldi aufbaute und ihn von allen Seiten begutachtete. Noldi kam sich vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt. „Er ist zu jung und nicht kräftig genug“, teilte der dicke Bruder dem Mönch mit. „Ich kann ihn hier nicht gebrauchen. Es sei denn, er wüsste, wie man einen Griffel benutzt. Kannst du schreiben?“, fragte er Noldi.

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