Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
62 Hab dich doch nicht so! Hast du noch nie eine tote Gans gesehen? Die müssen gerupft werden, wenn sie noch warm sind. Also los jetzt, ihr beiden! – Du, Martha, zeigst ihr, wie’s geht!“, fügte sie hinzu. „Aber ich … ich kann ni…“ Anneli standen Tränen in den Augen. „Nun fangt endlich an!“, zischte Sieglinde und entfernte sich aus der Küche. „Also, du nimmst sie zwischen die Knie, auf den Rock. So hier. Halt sie gut fest, am besten am Hals. Die Federn musst du gegen vorne ausreissen und in diesen Sack legen“, erklärte Martha. Das kleine Mädchen konnte den toten Vogel vor Ekel kaum hal- ten. Mit zittrigen Händen und Tränen in den Augen begann sie ihn zu rupfen. „Na, siehst du, ist gar nicht so schlimm. Beim ersten Mal musste ich mich auch fast übergeben, aber man gewöhnt sich daran, wie an so vieles andere auch!“ Die Köchin lächelte zufrieden. Es war gar nicht so einfach, die Federn in den Sack zu bringen. Sie klebten an den Fingern, und wenn Anneli versuchte, sie in den Sack zu schütteln, flogen sie umher, anstatt dorthin, wohin sie sollten. Auch pusten half nicht viel. Martha lachte sie laut aus. „Ja, ja, das muss geübt sein!“ Die Köchin blies ein paar Federn in Annelis Gesicht und kicherte. Diesmal versuchte Anneli, den Flaum energischer abzuschütteln – mit dem Erfolg, dass der Sack umkippte und alle Federn auf dem Boden zerstreut lagen. „Was fällt euch ein?“ Sieglinde stand in der Türe. „Aber wir …“, versuchte Martha zu erklären. „Halt den Mund, sonst …!“ Sieglindes Augen verengten sich und ihr Kopf wurde immer röter. „Du dumme Gans, faule Kröte, für nichts bist du zu gebrauchen! Nur Scherereien hat man mit dir! Ich hätte dich besser den Söld- nern gelassen, die hätten dir deine Flausen schon ausgetrieben!
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