Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
63 Herumspielen statt arbeiten! Na warte, du verdammtes Juden- pack!“ Schnell trat sie auf Anneli zu, riss sie an den Haaren und versetzte ihr zwei schallende Ohrfeigen. „Zur Strafe wirst du heute Abend alle Töpfe ganz alleine putzen, du Tunichtgut!“ Martha starrte sie mit grossen Augen und geöffnetem Mund an. Anneli wimmerte leise. Sie war auf den Boden gestürzt und hielt sich die Hände schützend über den Kopf. „Macht das fertig“, befahl Sieglinde und eilte aus der Küche. Sie lief die Treppe hinter den Vorratsräumen hinunter und kauerte sich in einem entlegenen Winkel des Kellers nieder, wo sie niemand hören und sehen konnte. „Ich wollte das nicht“, flüsterte die Nonne gequält. „Warum werde ich nur immer so wütend. Das Mädchen reizt mich mehr als alles, was ich je erlebt habe. Ich kann sie einfach nicht ertra- gen. Manchmal könnte ich ihr den Hals umdrehen und hätte nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei. Oh, wo bin ich nur hingeraten mit meinem Leben! Dieser Hass, dieser Hass!“ Sieglinde erhob sich und fing an, die eingemachten Gläser zu sortieren. Schmerzliche Erinnerungen brachen in ihr auf. Sie war auch einmal so klein gewesen wie dieses Mädchen mit den grossen, braunen Augen. Ihr reicher Vater hatte sich vorgenommen, dass aus seinem Töchterchen einmal etwas ganz Besonderes werden sollte. Sie besassen grosse Ländereien, und die kleine Sieglinde wurde in Kreisen des höchsten Adels aufgezogen. Der Vater verbot ihr den Umgang mit dem Gassenpöbel, wie er die Leute aus dem Dorf nannte. Dennoch schlich das Mädchen manchmal heimlich aus dem Gutshof der Eltern und traf sich mit Gleichalt- rigen am nahe gelegenen Weiher. Dort hatte sie auch Koni ken- nen gelernt … Als der Vater sie zwingen wollte, sich mit einem wohlhabenden Mann in seinem Alter zu vermählen, war sie zu ihrem Geliebten geflohen. Heimlich heirateten sie und Sieglinde wurde schwan-
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