Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

69 Noldi erzählte stolz, was er mit der Knabenschaft alles erlebt hatte. Die Folterung der Waldenser verschwieg er wohlweislich. Mit einem Mal stiess die Harke von Anneli auf einen harten Ge- genstand in der Erde. Neugierig grub sie weiter. „Was ist denn das?“ Eine hellbraune Kugel kam zum Vorschein. Anneli nahm sie aus der Erde und rieb den Schmutz mit ihren Händen weg. „Noldi, schau mal, was ist das?“ Doch im gleichen Augenblick erkannte Anneli, was sie in der Hand hielt. „Wäähh!“ Mit einem lauten Schrei warf das Mädchen den klei- nen Totenschädel auf die Erde und wischte sich die schmutzigen Hände an ihrer Schürze ab. Wieder sah sie die Köpfe ihrer Eltern ins Gras rollen. „Anneli, was hast du?“ Als Noldi den Kinderschädel entdeckte, fasste er Anneli bei den Schultern. „Schnell, knie dich hin!“ Von weitem sah er die Ordensschwester herbeihasten und ver- grub den Schädel rasch wieder in der feuchten Erde. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“ „Sie hat sich beim Graben furchtbar wehgetan“, erklärte Noldi. Die Nonne nahm die schmutzigen Hände von Anneli und unter- suchte sie. Verletzt schienen sie nicht zu sein. „Ich dachte schon, du wärst tot, so hast du geschrien! Passt gefäl- ligst besser auf mit den Geräten“, befahl sie, klopfte sich die Schürze ab und eilte kopfschüttelnd zurück zu ihrem eigenen Beet. Sobald sie ausser Sicht war, grub Noldi an der Stelle weiter, wo Anneli den grausigen Fund gemacht hatte. Mehrere dieser klei- nen Kinderschädel kamen zum Vorschein. „Oh, nein. Ist das hier etwa ein Friedhof?“, murmelte er. Anneli schaute ihm über die Schulter. „Noldi!“ Schnell presste sie beide Hände auf ihren Mund, um nicht nochmals laut zu schreien.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTY5NDM=