Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
70 „Noldi, was ist das, woher kommen all diese grässlichen Toten- köpfe?“, flüsterte sie ängstlich. „Ich weiss auch nicht, aber das sind alles Köpfe von Kindern, die sind so klein! Anneli, wir müssen hier raus, so schnell wie mög- lich. Da muss irgendetwas ganz Schlimmes passiert sein! Heute Nacht treffen wir uns, wenn alles still geworden ist. Ich habe im Keller einen Gang entdeckt, der uns vielleicht in die Freiheit führen könnte. Schnell, wir graben alles wieder ein, bevor die Nonne kommt.“ Klosternächte Der Schrei eines Käuzchens drang in Annelis Kammer, begleitet von dem hellen Licht des Vollmondes. Durch das Fenster blies ein kalter Hauch und brachte das Mädchen zum Frösteln. Erwar- tungsvoll blickte sie zur Tür. Heute Abend würde dieses Elend ein Ende haben. Anneli war bereit, mit Noldi zu fliehen. Wohin, das wusste sie selber nicht. Egal, erst mal nur weg von hier. Sie hatte viel durchgemacht, aber jetzt, jetzt sollte alles anders werden. Die- ses Mal würde sie nicht bloss in ihren Gedanken weglaufen. Das klappt ganz bestimmt. Noldi hat alles gut geplant. Er ist schlau, dem kann man vertrauen, dachte Anneli. Ein leises Klopfen ertönte. Sie huschte auf Zehenspitzen zur Tür und schaute durch das kleine Guckloch ihrer schweren Kammer- türe. Es war Noldi, der sie abholte, wie abgemacht. Das Mäd- chen schlüpfte leise hinaus in den Flur. Verheissungsvoll lächelte Noldi seine kleine Freundin an, nahm sie bei der Hand und sagte: „Bist du bereit?“ Die Kleine nickte kurz und schon schlichen sie den dunklen Treppengang entlang. Unheimliche Stille erfüllte das Kloster. Anneli versuchte ruhig zu atmen, doch ihr ganzer Körper zitterte vor Aufregung. Ihr Herz schlug im Takt ihrer flinken Schritte.
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