Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

71 Sie erreichten einen grossen Kreuzgang, wo Kerzen in Mauer- vertiefungen flackerten. Noldi spähte hinter den Nischen des Ganges hervor und winkte Anneli, ihm zu folgen. Um nicht entdeckt zu werden, huschten die beiden von Säule zu Säule und versteckten sich jeweils einen kurzen Moment. Manchmal blieben sie etwas länger stehen, wenn sich die Schat- ten der Pfeiler verdächtig zu bewegen schienen. „Hier ist er“, flüsterte Noldi, als sie den geheimen Durchgang erreichten, von dem er gesprochen hatte. Die rostigen Angeln der schweren Holztür quietschten bei jeder kleinsten Bewegung in hohem Ton. Erschrocken sahen sich die Kinder um, doch nie- mand schien sie gehört zu haben. Beide atmeten vor Erleichte- rung auf, schlüpften schliesslich nacheinander durch die schmale Öffnung und blickten die Treppe hinab in die Dunkelheit. Noldi trat an Anneli heran und flüsterte ihr ins Ohr: „Pass auf. Hier kommt gleich eine Treppe, ich geh voran und du bleibst dicht hinter mir. Komm, gib mir deine Hand, du musst keine Angst haben. Ich bin bei dir und kenne mich hier aus!“ Anneli drückte kurz die Hand ihres Freundes als Zeichen ihres Vertrauens. Sie hielt sich an seinem Ärmel fest und folgte ihm. Zwischen grossen Weinfässern führte ein schmaler Gang durch den unheimlichen Keller. Irgendwo tropfte Wasser. „Warum sind denn hier manchmal Kerzen angezündet?“, fragte Anneli leise im Halbdunkel. Noldi zuckte mit den Schultern und legte den Zeigefinger auf den Mund, die andere Hand an seine Ohrmuschel. Von weitem hörte man wildes, dumpfes Lärmen. „Was ist das?“ Der Junge hob ratlos die Schultern und sie schlichen weiter, eine schmale Treppe hinab. Die seltsamen Geräusche wurden immer lauter. Das Herz des Mädchens klopfte stark. Was ist das bloss? Hoffentlich erwischt uns keiner.

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