Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

74 „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“ Abrupt hielt sie inne. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Oh, hab ich etwas falsch gemacht? Vielleicht hätte ich das jetzt nicht fragen sollen. Anneli atmete schwer. „Ich weiss es nicht genau. Es war immer dann, wenn die Blätter an den Bäumen schon fast bunt gewor- den sind und es noch etwas warm draussen war, aber schon ein frisches Lüftchen wehte.“ „Das ist ja bald!“ In Noldis Stimme schwang Vorfreude mit. Traurig, ohne etwas zu sagen, blickte Anneli ihren Freund an. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb sie so bedrückt ist, dachte er. Gerade zu ihrem Geburtstag vermisst sie bestimmt ihre Fami- lie und ihren Bruder Daniel. Beide setzten die Arbeit schweigend fort. Schwester Sieglinde betrat die Küche. Ihre furchterregende Er- scheinung liess Anneli eingeschüchtert nach unten schauen. „Arnold, du gehst zu den Stallknechten, der Abt hat Besuch. Sie brauchen noch jemanden, der ihnen mit den Pferden hilft. Das hier kann Anna fertig machen!“ „Was?“, fuhr Noldi auf. „Geh! Los jetzt!“ Das Zerstossen der harten Gerstenkörner war schon für Noldi anstrengend genug und jetzt sollte Anneli alleine weitermachen? Besorgt blickte er Anneli an, die demütig nach unten schaute und gehorsam nach dem Stössel in Noldis Hand griff. Der Junge eilte aus der Küche und überquerte den breiten, gepflas- terten Weg, der den Nonnen- und Mönchsteil des Klosters von- einander trennte. Da kamen ihm schon Sepp und Arne entgegen. „Hallo, Kleiner!“, neckten ihn die Knechte kameradschaftlich. „Hallo! Was gibt’s zu tun?“ „Ein hoher Auftrag wird uns heute zuteil. Der Abt bekommt morgen Besuch vom Herzog. Heute reisen schon dessen Schrei- berling und sein Berater an. Scheinen wohl was Wichtiges zum

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