Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
78 Verschieden geformte Brotlaibe lagen kunstvoll aufgeschichtet auf dem Tisch. Es gab dunkles und helles Brot. Rosinen waren eingebacken. Für die Reichen wurden diese edlen Trocken- früchte von weit hergeholt und auf dem Markt verkauft. Er blickte auf gebratene Tauben und Schweinslebern, Drosseln, Rebhühner mit kandierten Oliven und gekochten Eiern. Gla- sierte Wachteln waren als Turm auf einem besonders verzierten Teller angerichtet. Dann folgte Kalbsbraten, der in sonderbar geformte Scheiben geschnitten war, um wohl den Appetit der Herren anzuregen. Lenden von Zicklein, Würste und eine belegte Platte mit teigummanteltem Kaninchenfleisch und Kapaunen bildeten den Abschluss der Hauptspeisen. Durch raffinierte Zubereitung mit verschiedenen Sossen aus Eigelb, Safran und Mehl waren die Köstlichkeiten verfeinert. Wie von selbst griff seine Hand beim Vorbeigehen nach den Leckereien. In einer flachen Schüssel lagen getrocknete Feigen und Melonenstücke mit Haselnüssen, Mandeln, Äpfeln, Birnen und Kirschen. Daneben befand sich der Stolz aller Köche – mit Honig und Zucker kandierte Äpfel und Waffeln. An der Seitenwand standen hohe Krüge mit Leinentüchern bedeckt, gefüllt mit Met, Beerenwein, Weisswein, Rotwein, Bier und Apfelwein. Das hätte Noldi nie vermutet. Die Nahrung der Mönche und Nonnen bestand hauptsächlich aus Getreideerzeugnissen und Gemüse wie Kohl, dicken Bohnen, Kichererbsen und Rüben, die auf vielfältigste Weise verarbeitet wurden. Beim Vorbeigehen griff der Junge herzhaft zu, geleitet von einem unbändigen Appetit. Ich darf nicht zu viel wegnehmen, damit es nicht auffällt, dachte er noch. Anneli würde das Fleisch nicht essen. Er nahm es für sich selber mit und steckte alles in die grosse Tasche in der Innenseite seines Leibrockes.
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