Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
80 Noldi besann sich. Ich muss zu Anneli, wenn ich zu lange bleibe, erwischen sie mich noch. Der Junge schlich zurück zum Ausgang. Erleichtert atmete er die frische Nachtluft ein. Er blickte auf zum sternenklaren Himmel. Diese Ungerechtigkeit – er konnte es nicht glauben, dass der Abt und seine werten Gäste so üppig lebten und Anneli fast verhungerte, weil sie für die schwere Arbeit so wenig zu essen bekam. Groll stieg in ihm auf. Er musste an die Habsburger denken, die in ihrer Übermacht sein Volk unterdrückten und Abgaben forderten, damit der König und der Abt noch reicher werden konnten. Vorsichtig schlich sich Noldi an den Gebäuden des Klosters vor- bei. Er versteckte sich in den Schatten der Erker, bis er sicher sein konnte, dass kein Aufseher in der Nähe war. Behutsam hielt er die Leckerbissen fest, die er unter seinem Oberkleid verbor- gen hatte. An Annelis Tür angekommen klopfte Noldi sachte an. Nichts regte sich. Er klopfte wieder, diesmal energischer und sagte halblaut: „Anneli, ich bin’s, Noldi. Bitte mach auf!“ Die Luke in der Tür öffnete sich. „Noldi, was machst du hier?“ „Ich hab dir was mitgebracht!“ Sie öffnete die Tür. Noldi trat in die Kammer. Ihre Kerze brannte noch. „Sei nicht mehr traurig, Anneli, heute feiern wir deinen Geburtstag!“ Einen Leckerbissen nach dem anderen holte Noldi unter seinem Gewand hervor und breitete diese auf ihrem Bett aus. Das Mäd- chen hielt den Atem an. Eine Feige, ein kandierter Apfel, ein Rosinenbrot, verschiedene Nüsse, zwei Stück Käse, ein gekoch- tes Ei, Weintrauben, Birnen. Annelis Augen wurden immer grösser, leuchteten wie Sterne. „Noldi, was, wo …??“
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