Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

83 „Dany, ich bin im Kloster Marienhorn, du musst mich finden!“, flüsterte Noldi in die Nacht hinein. Als Anneli einen gewissen Abt Johann erwähnt hatte, war dem Jungen klar geworden, in welchem Kloster sie sich befanden. Er hatte die Bauern, die von weiter herkamen, schon oft von einem Abt Johann sagen hören, der sie ausbeutete und zu hohe Abgaben forderte. Noldi dachte an Anneli, die ihn mit ihren grossen, braunen Augen meist so traurig anschaute. Er versuchte oft, sie aufzumuntern, neckte sie oder brachte ihr ein Gänseblümchen, das er aus dem frischen Futter der Pferde mitgenommen hatte. Sie lachte ab und zu und gab sich Mühe, nicht immer bedrückt zu sein. Doch an ihren geröteten Augen erkannte er, dass sie viel weinte. Anneli. Sie war so zart, dass ihn jede Minute tief im Herzen schmerzte, die sie im Kloster von den Nonnen geschunden wur- de. Er war jetzt ihr grosser Bruder und wollte für sie sorgen, das hatte er ihr versprochen. Ich werde dafür kämpfen, Anneli, dass es dir eines Tages richtig gut geht und du wieder von Herzen lachen kannst, schwor sich Noldi . Wie gern würde er all das ungeschehen machen, was sie erlebt hatte. „Ich werde alle Schuld rächen. Das verspreche ich dir, Anneli“, sagte er leise, aber voller Festigkeit vor sich hin. Er erinnerte sich an ein Gespräch, das sie beim Ernten der Ka- millenblüten geführt hatten. „Ich kann es nicht verstehen, dass meine Eltern nur dasitzen und beten. Es ist doch viel besser, für die Gerechtigkeit zu kämpfen und nicht nur rumzusitzen“, fuhr es aus Noldi heraus, als er ihr von seiner Familie erzählt hatte. Anneli hatte ihn sehr ernst angeschaut und geantwortet: „Ich wünschte, ich hätte meine Eltern noch, die mich gelehrt haben zu beten. Manchmal hilft das wirklich und ich fühle mich besser, wenn ich gebetet habe.“ Noldi war erstaunt. Solche Worte hätte er aus ihrem Mund nicht erwartet.

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