Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

84 Ihre Antwort liess Noldi nicht mehr los. Sie war jünger als er, und doch schien sie manchmal erwachsener und weiser zu sein. Alles, was dieses Mädchen hier am Leben erhielt, war die Hoff- nung auf Freiheit und der Glaube an einen unsichtbaren Gott. So etwas konnte Noldi nicht verstehen. Dennoch bewunderte er Annelis Gottvertrauen. Aber nachdem der Fluchtversuch missglückt war, schien Anneli innerlich aufgegeben zu haben. Sie hatte ihren Freund oft mit leerem Blick angeschaut. Noldi machte sich grosse Sorgen. Wahrscheinlich hält sie es nicht mehr lange aus hier. Die harte Arbeit in der Küche, ohne Zeit zum Ausruhen, scheint sie an die Grenze ihrer Kraft zu bringen. Er hatte sie in den Arm genommen, aber sie hatte keine Regung gezeigt, sondern nur leise geschluchzt. Das machte ihm Angst. Sie darf nicht aufgeben! Dany, beeil dich! Er dachte an die Knabenschaft, seine Brüder und Dany. Die Lider fielen ihm zu und er schlief ein. Ein Poltern in der Kammer weckte Noldi mitten in der Nacht auf. „Wer ist da?“ Neben seiner Bettstatt lag ein Stein auf dem Boden. Der Junge blickte verdutzt nach unten und musterte ihn. „Dany!“ Noldi eilte zum Fenster. AmWaldrand schwenkte jemand eine Fackel langsam hin und her. Noldi griff die Kerze und ahmte die Bewegungen der Fackel nach. Im Einklang ging es hoch, runter, nach links und nach rechts. Das war das Erkennungszeichen! „Dany, ich hab’s ge- wusst, dass du mich nicht im Stich lassen würdest!“ Erwartungsvoll stellte er sich an die Seite des Fensters. Ein wei- terer Stein flog vor seinen Füssen auf den Boden. Er kniete sich hin, löste das Pergament, in das der Stein eingewickelt war, und hielt es näher an das Kerzenlicht, um lesen zu können. „Wir wollen frei sein, wie die Väter waren. Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. In keiner Not uns trennen und Gefahr.

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