Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
85 Sei morgen um dieselbe Zeit bereit. Wir holen dich. Deine Brü- der und Dany.“ „Ich hab’s gewusst! Dany, mein Freund!“ Noldi eilte zum Fenster, bewegte die Kerze als Bestätigungszei- chen für Dany kurz nach oben und unten. Sein Freund erwiderte das Signal und die Fackel verschwand zwischen den dichten Zweigen des Waldes. „Ich muss es Anneli sagen!“ Noldis Freude war nicht mehr zu bremsen. Er schlich sich von dem Gesindehaus über den Hof. Alles war still. Nur ein Wächter am Tor pfiff leise sein Lied. Noldi lief den Bogengang entlang, bis zum Ende. Er bemerkte nicht, dass ihm dabei der Brief mit der kostbaren Botschaft aus der Hosentasche fiel. Schnell rannte er über die breite Gasse, die das Klosteranwesen teilte und versteckte sich hinter dem nächs- ten Pfeiler. Dort befand sich der Speicher, in dem kleinen Häu- schen, das an die Küche angeschlossen war. Anneli bewohnte die Dachkammer. Eine grosse Gestalt in wallender Mönchskutte ging kurz danach ebenfalls den Bogengang entlang. Der Pater stockte. Ein Stück Pergament lag vor seinen Füssen. Er bückte sich und griff nach dem zerknitterten Pergamentstück. Wie kam das hierher? Die Abschriften wurden normalerweise in der Bibliothek gemacht und dort verwahrt. In dem unruhigen Licht der Fackeln hatte er Mühe zu lesen. Ihm kam das Gesicht eines Knaben in den Sinn, der im Nonnentrakt diente. Aber sein Herz bebte. Gedanken- versunken setzte er seinen Weg fort. Er musste dem nachgehen. Hastig klopfte Noldi an Annelis Türe. Nichts regte sich. Er pochte noch einmal und lauschte. Da, Schritte, die schmale Luke in der Tür öffnete sich. „Anneli! Ich hab’s gewusst! Ich hab’s gewusst! Er ist hier! Dany ist hier! Hab ich nicht gesagt, dass er kommt?“ Er konnte seine Begeisterung kaum zurückhalten.
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