Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

91 Anneli musterte ihren Freund liebevoll aus dem Augenwinkel. Seitlich des Gesichtes waren seine braunen Haare zu Zöpfen ge- flochten. Das Obergewand bedeckte seinen wendigen Körper. Anneli hatte schnell gemerkt, dass er ein kräftiger Bauernjunge war, als er ihr geholfen hatte, auf die Felsen zu klettern, oder sie in den Arm genommen hatte. Sie mochte es, wenn er ihr schel- misch zuzwinkerte und sie ermutigte. Er war so klug und auf- geweckt. Seine fröhliche Art gab Anneli trotz der hoffnungslo- sen Situation immer wieder Auftrieb und konnte sie mitten in der Not fröhlich stimmen. Dem Mädchen tat es wohl, dass sie Arnold alles erzählen konnte, was sie bewegte. Er ging sehr be- hutsam mit ihr um. Nahezu heilig schien ihm sein Versprechen zu sein, das er Anneli am Anfang gegeben hatte – immer für sie da zu sein und für sie zu sorgen. Seine Ehrlichkeit und Herzens- güte erinnerte Anneli oft an Noah. Noldis Gesichtsausdruck erhellte sich zu einem schelmischen Grinsen. „Ich habe eine Idee, wie man hier Veränderung herbeiführt.“ Er schaute kurz nach links, dann nach rechts. Es schien, als habe man die Kinder hier vergessen. Als niemand zu sehen war, rück- te Noldi näher zu Anneli hinüber und hielt die Hand an ihr Ohr. Unweigerlich musste das Mädchen kichern. Er nickte Anneli zu. „Pass auf, wir machen …“ Das waren ja richtige Bubenstreiche! So etwas hatte sie noch nie gemacht. Noldi zählte eine ganze Litanei von Streichen auf, die er anscheinend schon alle selber ausprobiert hatte. „Komm, ich glaube, die Nonnen sind beim Beten und kommen nicht so schnell zu uns.“ Er fasste Annelis Hand und führte sie hinter sich her. Beide schlichen sich aus der Kapelle. Die düsteren Sprechgesänge der Mönche und Nonnen hallten durch die Gänge. Es war fast Mit- tagszeit. Sie mussten sich beeilen. Niemand durfte ihre Abwe- senheit bemerken. Noldi zog Anneli in einen Kellerabgang. „Was hast du vor? Davon hast du mir aber noch nichts erzählt.“