Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

94 Seite. Im Vorbeigehen murmelte sie: „Puh, hab ich einen Hunger!“ und verschwand. Niemand war mehr zu hören und zu sehen. Das war die Gelegenheit! Listig blitzte Noldi Anneli an. „Komm!“ Der Junge schlich voran, durch die Maueröffnung in den Keller hin- ein. Über eines der grossen Weinfässer kletterten sie zur Treppe. Er spritzte schnell etwas Wasser aus dem Blecheimer der Nonne auf die Treppe und winkte Anneli zu, mit der Seife darüber zu wischen. Lustig tanzende Bläschen bildeten sich auf der glatten Steintreppe. „So sauber war die Treppe noch nie, was?“, kicherte Anneli. Doch schon hörten sie Schritte von oben. „Achtung, zurück!“, drängte Noldi und half Anneli, schnell auf die Anhöhe des Fensters zu gelangen, bevor er selber hochsprang. Die beiden Kinder vernahmen ein lautes Gekreische. Dumpfe Geräu- sche liessen ahnen, dass jemand auf dem harten Gestein aufschlug. Noldi schaute zu Anneli, die neben ihm kauerte. Seine Augen und die Hand vor dem Mund verrieten, dass es ihm doch etwas Leid tat. Vorsichtig streckten sie ihre Köpfe hinter dem Mauervor- sprung hervor und erblickten eine sich vor Schmerzen windende Nonne. Sie lag am Fusse der Treppe, zusammengekrümmt, in einem Gewirr aus den Tüchern ihres Gewandes. Sogleich kamen andere Nonnen hinzugeeilt. „Was ist passiert? Mitten in der Messe ein solches Geschrei!“ Schmatzend nahte auch die Ordensschwester, die hier zuvor ge- arbeitet hatte. „Du rücksichtslose Schlampe!! Du Putzteufel!!! Du Tunichtgut! Du Taugenichts! Wie kann man nur so rücksichtslos arbei- ten?!!“, keifte die Oberin sie an. „Es war keine Absicht. Ich…ich wusste nicht, dass es so glitschig ist.“ „Los hilf uns, sie aufzurichten!“ Im Versteck nickten sich die beiden Kinder siegessicher zu und hielten die Daumen hoch als Zeichen ihres kleinen Sieges. Der erste Streich für den Zerfall von innen war gelungen.

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