Helden Sterben Anders - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

99 An der Tür erschienen einige Mönche. „Was willst du denn mit der Kleinen?“ „Ich sag dir, was ich mit der will. Sie hat heute gesehen, wie deine Buhle dir ein weiteres Luder zur Welt gebracht hat!“ Der Mann wurde bleich. „Was machen wir jetzt mit ihr? Sag es mir!“ Anneli wimmerte und blickte den Mönch ängstlich an. Eine der Nonnen mischte sich ein. „Wir bringen sie um, wie all die anderen, ganz einfach!“ „Neiiin! Bitte nicht! Neiiin!“ Anneli weinte bitterlich. „Das kannst du nicht machen, das ist ein Kind, kein Neugebore- nes!“, beschwor einer der Mönche die Ordensfrau. „Ach was! Die anderen sind auch Kinder! Und wenn du hier rumschwängerst, musst du auch mal lernen, die unangenehme Arbeit zu übernehmen. Das überlasst ihr ja sonst immer uns! Feiglinge!“ „Du bringst sie in den Turm und tust ihr nichts zuleide, ich warne dich!“ Der betroffene Mönch blickte Sieglinde fest in die Augen. „Du willst mir etwas vorschreiben!?“ Die Lage schien sich zuzuspitzen. Sieglinde stand unter Druck. Die Augen aller Umstehenden waren auf die Oberin gerichtet. Am liebsten hätte sie das Mädchen umgebracht. Aber konnte sie das verantworten? Wenn sie die Kleine in den Turm sperren würde, müsste man sich um sie kümmern. Oder sie würde dort verrotten. So oder so – es war eine äusserst unangenehme Situa- tion. Sie wünschte sich, sie hätte nie etwas davon erfahren. „Ja, das schreibe ich dir vor, ansonsten habe ich keine Skrupel wegen dir …“ Er nahm das Messer, das auf dem Tisch lag, und hielt es der Nonne gefährlich nahe an den Hals. Die Luft knisterte. Sieglinde presste ihre Lippen mit unterdrückter Wut zusammen. Schliesslich sagte sie:

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