Geistliche Satzbrüche - Ivo Sasek - Elaion-Verlag

II. Das Spiegelgesetz 19 fragt Kap. 8,1 . Die Antwort der Schrift heisst: „Oben auf den Höhen am Weg, da, wo die Pfade sich kreuzen, hat sie sich wartend aufgestellt.“ Erkennst du, an welchem Ort dir die Weisheit übergeben wird? Ich sage es einmal mit meinen eigenen Worten. Oben auf den Höhen am Weg, d. h. dort, wo du selber nicht mehr höher kommst, wo du mit deinem Latein am Ende bist. Da, wo die Pfade sich kreuzen; das meint dort, wo du real an einem Scheideweg stehst, wo du zu entscheiden hast. Also nicht, bevor du an dein eigenes Ende kommst und auch nicht, nachdem du aus dir selber einen Weg hast wählen müssen, sondern genau am Ende, auf der Höhe deines Weges, dort, wo sich die überfordernde Frage stellt, wie es in V. 3 heisst: „... am Zugang zur Stadt, am Eingang der Pforten schreit sie.“ Also genau am An- fang, genau am konkreten Punkt, wo Weisheit gefragt ist. Beim Eingang der Ratlosigkeit wird sie vermittelt. Alles Gött- liche setzt erst da an, wo das Menschliche am realen Ende angelangt ist. In Kap. 9,1-6 kommt genau diese Gesetzmäs- sigkeit wieder zum Vorschein. Dort wird beschrieben, wie die Weisheit ihr Haus gebaut und ihre sieben Säulen ausge- hauen hat, wie sie ihr Schlachtvieh geschlachtet, und ihren Wein gemischt und ihren Tisch gedeckt hat. Dann sendet sie ihre Mägde aus, um auf den Höhen der Stadt einzuladen. Was rufen die Mägde? „Wer unerfahren ist (in Ratlosigkeit!) , der kehre hier ein! Wer ohne Verstand ist (grosse Ratlo- sigkeit!) , zu dem spricht sie: Kommt, esst von meinem Brot und trinkt von dem Wein, den ich gemischt! Lasst fahren die Unverständigkeit und lebt und schreitet einher auf dem Weg der Einsicht!“

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