Gläubig oder glaubend? - Ivo Sasek - Elaion-Verlag
Das Geheimnis der Identifikation 87 einfach in den Tempel werfen können wie Judas. Es musste die Erlösung vielmehr mittels eines Opfers zum Menschen kommen. Aber nicht eben durch irgendein Opfertier – es musste ein makelloses sein. In den Tagen Maleachis gingen die Israeliten der erlösenden Kraft Gottes verlustig, weil sie es unter anderem mit lahmen, blinden und kranken Tieren versuchten. Auch nicht durch irgendwelche Tiere – Hühner, Pferde, Hunde etc. – sollte die Erlösungskraft Gottes fliessen. Es mussten kultisch rein erklärte und tadellose Opfer sein: Lämmer, Tauben, Ziegen, Stiere usw. Weiter genügte es nicht, diese Opfertiere einfach zu töten um des Todes der Tiere willen. Sonst hätte man sie ja auch irgendwo auf dem Feld erschlagen können. Es hatte unter Handauflegung beim Altar zu geschehen! Kurzum: Alle Vorschriften hätten keinen Sinn gehabt, wenn nicht eine Identifikation zwischen Opfer und Erlösungsbedürftigem stattgefunden hätte. Die eigentliche Wirksamkeit der Erlösung lag weder allein im Altar noch im Wert, noch im Tod, noch im Blut der reinen Tiere, obgleich all diese Mittel unentbehrlich waren. Ohne diese Grundquali- täten wäre gewiss überhaupt nichts geschehen. Doch der Kern der Sache lag in der Identifikation. Zur vollen Wirksamkeit konnte die Kraft der Erlösung erst in der Gleichsetzung zwi- schen Sünder und Opfer kommen. An diesem Punkt fand ein Austausch statt. Identifikation bedeutet darum, etwas zu seiner eigenen Angelegenheit machen, sich an die Stelle eines ande- ren setzen und dessen „Schicksal“ übernehmen.
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