OCG-Jugend - Elaion-Verlag
98 nachdem wir in der Klasse Sigmund Freuds Psychoanalyse besprochen hatten. Der Lehrer sagte mir in diesem Ge- spräch, ich sei alles andere als ein Vorbild und die Klasse würde mich nur deshalb so verachten, weil ich lieblos mit ihr umginge. Ich wehrte mich nicht gegen diese Worte, weil sie mir logisch erschienen und ich nicht als unkorrigierbar dastehen wollte, wie es uns OCGern ja immer wieder vor- geworfen wird. Die Konsequenz meines Handelns war eine Woche tiefste Finsternis und Gottesferne in einem Ausmass, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Der Herr zeigte mir, dass ich aus diesem Niedergang nur dann wieder herauskommen würde, wenn ich dem Lehrer offen und furchtlos jene Wirkung be- zeugen würde, die an mich ergangen war, nachdem ich seine kritischen Worte toleriert hatte. Ab dem Zeitpunkt, als der Brief geschrieben war, war ich frei und der Lehrer reagierte zutiefst beleidigt. Sieben Monate schwieg er darüber und brachte seinen Zorn erst in der Bewertung und Kommentierung von einem mei- ner Aufsätze zum Ausdruck. Seine Beleidigungen mir ge- genüber waren so haarsträubend, dass ich ihn vor der ganzen Klasse darauf ansprach. Er argumentierte, ich hätte ihn durch meinen Brief vor sieben Monaten verletzt und deshalb hätte er so reagiert. Ich stand am Ende der Stunde als Schul- dige da und glaubte mich besiegt. Doch dann schrieb ich meinen zweiten Brief und machte offenbar, dass nicht ich „unkorrigierbar und hochmütig“ sei, sondern er selbst. Denn er hatte seine Meinung im Gegensatz zu mir ja nie hinter- fragt oder es gar erwogen, dass ich Recht haben könnte, so wie ich es bei ihm getan hatte.
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