Panorama-Nachrichten Nr.3 - September 2022

4 danken usw. Bei jedem Essen und vor dem Schlafengehen küsste und umarmte ich sie herzlich. Sie konnten es ihr Leben lang kein einziges Mal erleben, dass wir als ihre Eltern oder wir als ganze Familie die Sonne in Disharmonie untergehen liessen. Unsere ständige Gewohnheit war es, allfällige Missstände, Unzufriedenheiten oder Differenzen schon in den kleinsten Ansätzen zu klären – bis zur allseitigen Zufriedenheit. Als Eltern baten wir unsere elf Kinder stets darum, nie irgendetwas einfach gezwungen zu tun oder über allfällige Mängel oder Unzufrie- denheit zu schweigen. Sie sollten in keiner einzigen Hinsicht übergangen werden oder in irgendeiner Weise zu kurz kommen. So lebten wir über 30 Jahre lang ausschliesslich in allergrösster gegenseitiger Hochach- tung, Sorgfalt und Liebe. Diese gegenseitige Liebe und Wertschätzung sind auch bis heute in all unseren gemeinsamen Produktionen ersicht- lich. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch handfeste Schwierig- keiten zu bewältigen hatten. Der Erstgeborene neigte in verschiedener Hinsicht zu Ansprüchen, denen ich unmöglich genügen konnte. Hier stellvertretend nur gerade ein Bereich, wie mich sein Hang zu über- höhten Idealen, z.B.in der Kunst, manchmal in äusserste Not brachte. Ihm genügte zuweilen meine Musik nicht, die ich zu unseren Fami- lien-Oratorien produzierte. Sie war ihm schlicht zu unprofessionell. So gab es über die Jahre hinweg insgesamt Stunden mühsamster Ausein- andersetzungen, bei denen ich immer aufs Neue erklären musste, wie mir, nebst all den sonstigen Diensten, einfach Zeit und Kraft fehlen, um noch aufwändigere Musik zu produzieren. Trotz temporärem Ver- ständnis für meine Not verfiel er immer wieder seinen hohen Idealen, schaffte sich eines Tages eigene Produktionsmittel an, um seinen An- sprüchen Genüge zu tun. Erst nach vielen Jahren, als er selber in die Zerreissprobe zwischen prioritären Diensten und seinen künstlerischen Ehrgeiz geriet, konnte er mich von Herzen verstehen. Dazwischen aber führten ähnliche Auseinandersetzungen, auch auf anderen Gebieten, uns (mit Vorliebe kurz vor Familien-Einsätzen) an die äussersten Grenzen der Kraft. Der schlimmste Fall ereignete sich 2011 in Belgien, kurz vor unserem Bühnenauftritt, bei dem allerwichtigste Zukunftsträger, ja, unser ganzer belgischer OCG-Arm entstehen sollte. Unter diesen „Geburtswehen“ liess unser Erstgeborener in einer Anfechtung ohne- gleichen immer akutere Vorwürfe gegen mich aufwallen. Die Spannung schwoll dabei derart an, bis mir der Kragen platzte und ich mit aller

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